M. Moser: Frauen im katholischen Milieu von Olten 1900–1950

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Titel
Frauen im katholischen Milieu von Olten 1900–1950.


Autor(en)
Moser, Mirjam
Reihe
Religion - Politik - Gesellschaft in der Schweiz 33
Erschienen
Freiburg 2004: Academic Press
Anzahl Seiten
216 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Markus Furrer, Pädagogische Hochschule Zentralschweiz

Ausgehend von der These, wie dies Studien für die USA, Deutschland, Frankreich und England belegen, Frauen seien seit dem 19. Jahrhundert als das «fromme Geschlecht» zu betrachten – «Feminisierung der Religion» (Barbara Welter) –, untersucht Mirjam Moser an einem schweizerischen Beispiel einen Teilbereich der katholischen Frauengeschichte. Sie geht dabei von der substrukturellen Ausprägung des katholischen Frauenmilieus aus, indem Frauen im katholischen Gesamtmilieu eine eigene Rolle übernehmen. Mosers Untersuchung, die als Lizentiatsarbeit in Freiburg geschrieben worden ist, betritt hier schweizerisches Neuland. Die Studie führt von der Einleitung, wo Thesen, Forschungsstand und Methode dargelegt werden, über zur «Stellung der Frau in der katholischen Subgesellschaft», zu den «katholischen Frauenvereinen in Olten 1900–1950», den «kirchlichen Idealvorstellungen und gelebter Wirklichkeit» und mündet in die Schlussthesen. Methodisch wählte die Autorin einen deskriptiven Ansatz, wobei sie neben verschiedensten schriftlichen Quellen auch Oral-History als bewusste Ergänzung einsetzt, die ihre Studie besonders lebendig werden lässt. Veranschaulicht wird dies noch durch gut ausgewähltes Bildmaterial.

Die räumliche und zeitliche Eingrenzung der Untersuchung ist begründet: In der ursprünglich katholischen Stadt Olten nahm der Anteil protestantischer Arbeiter und Arbeiterinnen im Verlaufe des Industrialisierungsprozesses stark zu (konfessionelle Umschichtung) und macht diese Stadt zu einem interessanten Objekt einer lokalen Milieustudie. Zeitlich fassten um 1900 die katholischen Frauenvereine in Olten Fuss und differenzierten sich bis in die 1950er Jahre aus. Wohl formierte sich in der gemischtkonfessionellen Stadt das katholische Milieu verspätet. Die hier verstärkt wahrgenommene «Bedrohung durch die Moderne» (S. 41) führte zu einem ausdifferenzierten Vereinswesen unter der Führung der Geistlichkeit, das lange währte und vielen eine Ersatzheimat bot. Die Frauen bildeten hierin kein eigenes Teilmilieu, fehlte ihnen doch dazu eine eigene ideologische Struktur, sie fanden sich jedoch in einer doppelten Minoritätenlage wieder: aufgrund der katholischen Konfession waren sie Angehörige einer Minderheitenkultur im freisinnig-protestantisch geprägten Schweizer Staatswesen; auch waren sie in einer Minoritätensituation in der männlich dominierten Gesellschaft.

Wie Mirjam Moser herausarbeitet, entwickelt sich mit dem auf die Initiative von Geistlichen zurückgehenden Vereinsleben um 1900 eine institutionalisierte katholische Frauenöffentlichkeit. Die Blütezeit der Vereine, die die negativen Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen abfedern sollten, währte zwischen 1920 und 1950. Die Vereine dienten auch dazu, den klerikalen Einfluss auf die Frauenwelt zu wahren. Generell erwarteten die Pfarrer von den Frauen eine grössere Nähe zur Kirche. Deutlich zeigte sich auch, dass sich die Forderungen der katholischen Kirche nach absolutem Gehorsam und die patriarchalen Rollenmuster in der bürgerlichen Familie gegenseitig stützten. Das war die eine Seite. Die andere Tatsache war, dass Frauen über die Vereine innerhalb von 50 Jahren aus der Anonymität des Privaten heraustreten konnten. Die Frauenvereine lassen sich als Vielzweckorganisationen einordnen, die neben der religiösen Erbauung auch Unterhaltung, Bildung, Aufklärung, Unterstützung und berufliche Weiterbildung anboten. Deutlich wurde, dass sich mit der Vereinsarbeit Frauen eine gewisse Professionalisierung ausserhalb der Hausarbeit eröffnete. Mirjam Moser kann auch für Olten als Hauptgrund einer stark von Frauen gelebten Religiosität im 19. und 20. Jahrhundert bestätigen, dass Frauen diesen von der Kirche offerierten öffentlichen Raum nutzten. Frauen eröffnete sich im katholischen Frauenmilieu die Chance der «Emanzipation in kleinen Schritten» (S. 194).

Eindrücklich und auf den Lebensalltag der Frauen bezogen, wirken die im Spannungsfeld von «kirchlichen Idealvorstellungen und gelebter Wirklichkeit» aufgeführten Beispiele: «die Frau als religiöses Vorbild», die «Frau als Priesterin der Familie» und die «Frau als Hüterin der Sittlichkeit».

Die Studie vermittelt so ein abgerundetes und anschaulich Bild der Frauen im katholischen Milieu von Olten. Inwieweit die hier aufgeführten Normen und Werte jedoch spezifisch dem katholischen Milieu entsprangen oder aber nicht mehr einer allgemeinen bürgerlichen Haltung im untersuchten Zeitraum, lässt sich nicht beantworten. Hier fehlen Paralleluntersuchungen im protestantischen Bereich, die zum Vergleich herangezogen werden können.

Zitierweise:
Markus Furrer: Rezension zu: Mirjam Moser: Frauen im katholischen Milieu von Olten 1900–1950. Freiburg, Academic Press Fribourg, 2004 (Religion - Politik - Gesellschaft in der Schweiz 33). Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 3, 2004, S. 334-335.